Dienstag, Februar 27, 2007

Pawlowscher Keks

Gemeinschaft macht stark, sagt man. Anonyme Alkoholiker z.B. finden in der Gemeinschaft neue Hoffnung. Religiöse Menschen geben sich gern, trunken durch den heiligen Geist, einer kollektiven Fantasie hin, um sich nicht alleine zu fühlen. Das imperiale Bündnis in Europa gibt uns die Kraft jedes Land der Erde, das sich unserer Zurichtung für die aktuelle Neuverteilung der Profite widersetzt, aus dem Himmel herab zu züchtigen und seine ganze gesellschaftliche Daseinsform in einen Trümmerhaufen zu verwandeln. Gemeinschaft macht also stark. Klar.
Das wissen sogar schon die meisten Fische und deshalb organisieren sie sich in großen Schwärmen, um andere Raubtiere zu verwirren. Das gleiche gilt natürlich für die Vögel, die ja praktisch auch nur Fische in der Luft sind. Es scheint demnach so als wenn der Vorteil einer Gemeinschaft eine Gott gegebene Naturkonstante sei, wäre da nicht, ja wäre da nicht die Spezies der Kekse in Schweden.
Nach wochenlangen Experimenten mit meinen Flurschweden habe ich den Beweis! Gemeinschaft kann auch tödlich sein.

Folgender Versuchsaufbau:
Man nehme einen Teller voll schwedischer Schokoladenkekse und platziere ihn plakativ auf dem Tisch im Gemeinschaftsraum.


In den folgenden Tagen werden die Kekse einer nach dem anderen gefressen. Meistens passiert dies nach der Abenddämmerung, wenn sich die Schweden unbeobachtet fühlen.
Nach ein paar Tagen sieht es im Revier der Kekse dann so aus:


Ein einzelner Keks ist der traurige Überlebende einer einst so stolzen Herde. Nach einer Weile entscheidet man sich instinktiv diesen Keks von seinem Leid zu erlösen und ihm den Gnadenbiss zu geben. Aber nicht so in Schweden. Hier scheint man Mitleid mit dem letzten seiner Art zu haben und verschont den Keks, verdammt ihn zu einem Leben in Einsamkeit aber Sicherheit. Der Keks musste tagelang warten bis er eines Morgens doch verschwunden war, ein paar Krümmel zeugten von seinem Schicksal. Ich hatte natürlich sofort Jacquinto in Verdacht. Ein portugiesischer Immigrant, der die schwedische Mentalität noch nicht ganz verinnerlicht hat und lag mit meinem Verdacht richtig. Er gab zu den Keks gerissen zu haben und erklärte mir, dass ein richtiger Schwede nie das letzte Stück von irgendetwas essen würde. Der Keks wäre liegen geblieben bis zum jüngsten Tag. Das wiederum löste natürlich meine Forscherinstinkte aus. Ich sagte Jacquinto, dass er keinen einzelnen Keks mehr essen sollte. Dann kaufte ich mir eine neue Schachtel Kekse und fing an immer nur einen einzelnen Keks auf den Teller zu legen. Und wirklich, wie vorhergesagt, der Keks wurde tagelang nicht gegessen. Darauf verspeiste ich demonstrativ, im Beisein meiner Flurschweden, den Keks, was nicht ohne Protest von Tobias vonstatten ging. Diesen Vorgang musste ich etliche Male wiederholen. Einen Keks auslegen, warten, verspeisen, bis endlich eines Tages ein Keks verschwunden war ohne mein Zutun. Eine kurze Recherche ergab, dass Jan-Erik, ein richtiger Schwede, den Keks gegessen hatte. Meine Konditionierung war also ein voller Erfolg. Ich hatte anscheinend durch das Vorführen einer Einzelkeksvertilgung die Hemmschwelle von Jan-Erik soweit herabgesetzt, dass auch er einen einzelnen Keks nicht länger verschonte.

Fassen wir also unsere Erkenntnisse zusammen:
1. Für einen Keks in Schweden bringt Gemeinschaft keine Sicherheit, eher im Gegenteil, nur allein ist er absolut sicher.

2. Ein unbeeinflusster Schwede isst niemals einen einzelnen Keks, oder generell das letzte Stück.

An das Max-Planck-Institut: Bitte überweist die Forschungsgelder auf das übliche Konto. Danke!

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