An einem lauen Herbsttag in Jahre 1517 machte sich mein alter Freund Martin Luther auf den Weg zur Schlosskirche in Wittenberg und schlug dort seine 95 Thesen an das hölzerne Kirchentor. Das Internet war damals leider noch nicht erfunden, sonst hätte er wohl einfach einen Eintrag auf seinem Blog geschrieben. Oder auch nicht. Vielleicht war ihm der symbolische Akt, der mit dieser Form der Veröffentlichung einher ging, wichtiger als die bloße Publizierung. Der Abschluss seiner jahrelangen Forschung und Arbeit, die Reinigung seiner Seele davon, seine persönliche Karthasis. Wie mag er sich in diesem Moment gefühlt haben als er den Hammer zum letzten Schlag hob? Wie Noah als er den letzten Nagel in die Arche trieb? Glücklich über das Geleistete aber furchtsam vor dem Sturm, der bald aufziehen würde?
Im durchweg protestantischen Schweden knüpft man an den meisten Universitäten an diese historische Begebenheit an. Die Doktoranden schlagen am Tage der Abgabe ihrer Doktorarbeit eine Kopie davon an den Baum der Weisheit, wie er hier in Linköping genannt wird. An anderen Universitäten ist es manchmal auch ein altes massives Brett.
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Diese ausgesprochen schöne Tradition, wie ich finde, nennt man
Spikning. Von diesem Tag an läuft eine dreiwöchige Frist, in der der Doktorand seine Arbeit gegen Kritik und im Disput verteidigen muss. Genauso wie einst Luther, der geistige Vater des Spiknings, seine Thesen gegen die Kritiker verteidigen musste.
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